Vier auf einen Streich

Offenbach Post vom 04.04.2023

KLOSTERKONZERT Aris Quartett begeistert Seligenstädter in St. Marien

VON KLAUS ACKERMANN
Seligenstadt - Obwohl längst in der großen weiten Welt unterwegs, bleibt das Aris Quartett den Seligenstädter Klosterkonzerten treu, dessen „Junges Podium" es einst im Sturm erobert hatte. Jugendfrischer Elan und ein unbedingter Gestaltungswille sind nach wie vor Trümpfe der glorreichen Vier, die auch beim neuerlichen Auftritt in der Pfarrkirche St. Marien stachen. In Werken von Mozart und Leos Janacek, die einen hochspannenden Kammermusikmusik-Abend bescherten.

Bei Aris wird im Stehen musiziert, ausgenommen ist naturgemäß. der Cellist. Es scheint die Konzentration und Anteilnahme, auch in spontaner Körpersprache ablesbar, noch zu verstärken. Und es erinnert an den Frankfurter Aris-Gründer und Mentor, Professor Hubert Buchberger - selbst ein begnadeter Geiger und hierzulande auch als Leiter des Offenbacher Kammerorchesters bekannt.

So hat schon Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett C-Dur KV 465 bei Anna Katharina Wildermuth, Noemi Zipperling (Violinen), Caspar Vinzens (Viola) und Lukas Sieber (Violoncello) einen hohen Erlebniswert. Der Beiname „Dissonanzen" resultiert aus den schmerzvollen melodiösen Wendungen des einleitenden Adagios. Von den Aris-Streichern intensiv ausgekostet, folgt ein herrlich unbekümmertes Allegro. Aris zeigt seine überraschenden Wendungen präzise und in unverbrüchlichem Zusammenspiel. Beim delikat ausgesungenen Andante cantabile ist der Romantiker Franz Schubert nicht mehr fern, beim Menuetto fällt das markante Unisono auf und beim Trio der Schlenker gen Moll. Locker, aber ungemein virtuos rauscht das Finale vorüber, vorübergehend in Moll eingetrübt.

Nicht im Unklaren lässt Aris schon vorab über Leos Janacek (1854-1928) und sein Streichquartett "Intime Briefe", dessen Hintergrund Cellist Lukas Sieber erläutert. Es ist die Bekenntnismusik des 74-jährigen Opernkomponisten, der seine Liebe zur 36-jährigen Kamila Stösslova klanglich fixiert. In St. Marien sind beider Konterfeis auf eine Leinwand projiziert.

Gemessen am Eingangssatz und dessen hoch emotionaler Klanggestalt schlägt die Liebe wie ein Blitz ein. Jede Streicherstimme führt da ein bewegtes Eigenleben und dennoch ziehen alle an einem gemeinsamen Klang-Strang. Zärtliches Verlangen und schmerzvolle Leidenschaft bedingen hier starke dynamische Kontraste, die das genia-le Quartett voll ausspielt.

Wie auf Wolken schwebend und ekstatisch aufbegehrend - jähe Stimmungswechsel schüren die Dramatik. Dazu reizt Aris auch den Streicherklang bis hin zum aschfahlen vibratolosen Ton voll aus. Solch leidenschaftliche Hingabe macht aus intimen Briefen einen hoch spannenden Liebesroman - mit hammerharten Schlussakkorden.

Das Konzertfinale gehört wieder Mozart und dessen g- Moll-Quintett KV 516, bei dem der zweite Bratscher Krzysztof Chorzelski mit Caspar Vinzenz im Aris-Klanggefüge für feinen Mittelstimmen-Zauber sorgt. Auffällig ist hier der schnelle Wechsel zwischen Moll und Dur.

Selbst das Menuetto ist eher Klagelied als Tanz, die beiden Adagios scheinen von einem klanglichen Trauerflor umgeben. Bis ein schier flottes Rondo die trüben Gedan- ken bannt, ein Rokoko-Gassenhauer im edlen Streicherton. Und der im Hintergrund abgebildete Wolf gang Amadeus Mozart schaut ausgesprochen zufrieden drein.